50 Mittlere Geschichte. 2. Periode. Deutschland.
mit den Schwertern holen.*) Drohend gingen die Boten fort.
Im Frühjahr 933 erschien ein ungeheueres Heer Ungern. Der
Schrecken ging vor ihnen her; sie verwüsteten und verbrannten
alle Felder und Oerter, die sie erreichten. Viele Männer wur-
den ermordet, Weiber und Kinder als Sklaven mitgeführt. So
kamen sie in die Gegend von Merseburg; hier, glaubten sie,
sei ein Schatz verwahrt. Heinrich eilte schnell herbei mit allen
Mannen, die er beisammen hatte, und lagerte sich auf einem
Hügel, von welchem er mehrere Tage in das Blachfeld, wo die
Ungern im Lager standen, hinabstieg, um seine Leute an den An-
blick der wilden Krieger zu gewöhnen. Ehe er die Schlacht wagte,
schickte er eine Reiterschaar in einen hohlen Weg in die Seite
der Ungern, um von da zur rechten Zeit hervorzubrechen. Nun
sammelte er alle Mannen um sich, ermahnte sie, auf die göttliche
Hülse zu vertrauen; dort, sagte er, stehe der gemeinsame Feind;
das Vaterland fordere Rache; männlicher Muth werde sicherlich
über die Wildheit des Feindes siegen. Mit Vertrauen blickte
das Heer auf zu dem Bilde des Engels aus der hochflatternden
Reichsfahne und hin auf den König, der, vor Allen hervorragend,
sie in das Feld hinabführte. Als er nun dicht vor dem Feinde
stand, betete er — und das ganze Heer mit ihm — noch einmal
zu Gott um Sieg, gab das Feldgeschrei: „Herr, erbarme dich!"
und nun ließ er einbrechen. Zugleich stürzten die im Hohlwege
verborgenen Reiter hervor in den Rücken der Ungern, die zu-
letzt, an Allem verzweifelnd, sich zur schleunigen Flucht wandten.
Die wenigsten sahen ihr Vaterland wieder; viele wurden in der
Schlacht, Viele auf der Flucht von den aufgebrachten Bauern
erschlagen. In ihrem verlassenen Lager fand man die ganze
Schaar der zusammengebundenen Weiber und Kinder, die nun
*) Recht naiv drückt sich darüber eine Chronik aus dem 15. Jahrhundert
in dem damals gebräuchlichen Dialekt aus: „Do zcogin dy Ungirn in Doringen
unde vordirtin jerlichen zcinß von den Doringin, unde von den andern Dutz-
schin. Do sante Konnig Henrich en zcu zcinse eynen schebcchtin Hunt, deine wa-
rin dy orin unde der zcagil abegesnetin, unde enpod en, wer eynen andirn
zcinß von den Doringin habin Wolde, das her queme, unde holete en, wanne
her wolde." D. i.: „Da zogen die Ungern nach Thüringen, und forderten
den jährlichen Zins von den Thüringern und von den andern Deutschen. Da
sandte König Heinrich ihnen zum Zins'einen schäbichten Hund, dem waren die
Ohren und der Schwanz abgeschnitten, und entbot ihnen, wer einen andern
Zins von den Thüringern haben wollte, daß er käme und holte ihn, wann er
wollte."
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TM Hauptwörter (200): [T121: [Feind Reiter Pferd Heer Mann Flucht Lager Soldat Seite Reiterei], T156: [Schlacht Sieg Feind Heer König Mann Kampf Tag Tapferkeit Franzose], T10: [Sachsen Karl Franken König Land Jahr Chlodwig Reich Krieg Volk], T143: [Stadt Kind Tag Haus Straße Mann Mensch Weiber Nacht Soldat], T100: [Gott Herr Herz Wort Leben Hand Himmel Vater Kind Mensch]]
Extrahierte Personennamen: Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich
Extrahierte Ortsnamen: Deutschland Merseburg Blachfeld Doringen
Die Ungern in Franken und Belgien.
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indessen heftig angegriffen und keine Art des Geschosses geschont.
Dagegen wehrten sie sich nach ihren besten Kräften, und Knechte,
Cleriker und Mönche,' obgleich diesem Orden das Handhaben der
Waffen verboten ist, widerstanden, da es aus Erhaltung des Le-
bens ankam, in einem Haufen zusammengedrängt, mit Nachdruck.
Da sie aber doch endlich an der Rettung verzweifelten, hörte man
sie nach gewohnter Weise rufen: Herr! o Herr! erbarme dich! —
und: Heiliger Ursmar, hilf, o hilf uns! — Schon umarmten stch
die Unglücklichen zum letzten Male und nahmen für immer Ab-
schied, jeden Augenblick die Uebergabe erwartend — siehe! da
flogen, zum Zeichen, daß sich Gott ihrer erbarmt habe, zwei Tau-
den hinter dem Altare hervor. Sogleich erfolgte ein heftiger Re-
gen, welcher die Sehnen der feindlichen Bogen erschlaffte und die
Geschicklichkeit der Ungern zu Schanden machte. Da kam eine
solche Furcht und ein solches Grauen über diese, daß sie ihre
Flucht beschleunigten und die Anführer selbst nüt Knuten aus Die
einhieben, welche noch verweilten."
So und noch ärger ging es zu überall, wohin die Ungern
kamen, und wir haben noch mehrere grausenhafte Beschreibungen
ihrer Unthaten von Augenzeugen übrig. Zu Anfang des Jah-
res 955 erhielt Otto, da er gerade in Sachsen war, Eilboten
aus Baiern: er möchte doch schnell zu Hülfe eilen; die Ungern
wären in furchtbarer Menge wieder eingefallen. So war es auch
wirklich. Durch Oestreich waren sie gekommen und drangen, wie
gewöhnlich, alle festen Städte vermeidend und alle offenen ab-
brennend, bis an den Lechfluß vor, wo sie Augsburg an-
griffen , weil sie es für die Niederlage aller großen Reich-
thümer der umliegenden Länder hielten. Die Bürger der Stadt
überließen sich der Angst und Verzweiflung; da war ihnen
der ehrwürdige Bischof der Stadt, Udalrich, eine rechte Stütze.
Er sammelte sie zum Gebet vor dem Altare des Herrn, sprach
den Muthlosen Muth ein und verwies sie auf Den, von dem
allein alle Hülse in der Noth kommt. Da er aber wohl, erwog,
daß jeder unthätige Glaube ein verkehrter ist, so munterte er auch
die Bürger zur genauen Bewachung der Mauern auf und schickte
dem Otto Boten entgegen, seine Schritte zu beflügeln, damit er
für die geängstigte Stadt nicht zu spät komme.*) Otto kam eilends
*) Der fromme Udalrich (Ulrich) liegt in Augsburg in einer ihm geweih-
ten großen und schönen Kirche begraben und wird hier von den Katholiken als
Heiliger verehrt.
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Extrahierte Personennamen: Otto Muth Otto Otto Ulrich)
Heinrichs Iv. letzte Tage. Konrad, dessen isohn.
91
wer den Sieg habe. „Ihr, Herr!" sagten die Umstehenden.
Darauf sank er zurück und sprach: „Nun leide ich freudig lebend
und sterbelid, was der Herr will; nun -kümmert mich der Tod
nicht, wenn ich ihn mit der Ehre des Triumphs empfange!" —
So starb er. Sein Grabmal sieht man noch in der Domkirche
von Merseburg, wo auch seine freilich nun sehr verdorrte Hand
noch gezeigt wird.
Rudolphs Tod war für Heinrich ein großes Glück. Viele
seiner Feinde verlöret! nun den Muth; andere hielten den Tod
des Gegenkaisers für ein Strafgericht Gottes und schlossen sich
wieder all den rechtmäßigen Kaiser an. So nahm Heinrichs Par-
tei mit jedem Tage zu, und endlich war er so mächtig, daß er
nach Italien gehen und dort seinen Todfeind, den Papst, angrei-
fen kotinte. Er erklärte diesen für abgesetzt und ließ einen Erz-
bischof zum Gegenpapste wählen. Dennoch blieb der eiserne Gre-
gor unerschüttert, und je weiter Heinrich gegen Rom vordrang,
desto wüthender schleuderte er den Bannstrahl auf ihn. Dies
Mal half es aber nichts. Heinrich belagerte wirklich Rom; aber
bis ins dritte Jahr lag er davor, ehe er es einnehmen konnte,
und nun ließ er geschwind seinen Papist einweihen. Gregor da-
gegen zog sich itl die Engelsburg (das Grab Hadriansj zurück,
und schon glaubte Heinrich ganz sicher, daß er ihm nicht entrin-
nen könnte — als er ihm plötzlich entführt wurde. Die Nor-
männer nämlich, d. i. die Dänen und Norweger (rauhe, kühne
und in der Seefahrt gewandte Männer) hatten tiach der Zeit
Karls des Großen verwüstende Einfälle in niehrere Länder ge-
macht und sich in einzelnen Schwärmen da und dort, z. B. in
England und Nord-Frankreich, angesiedelt. Ein solcher Schwarm
war gar bis Neapel geschifft und hatte sich zum Herrn von ganz
Unter-Italien geniacht. Diese Normannen waren es, die jetzt
plötzlich unter ihrem ritterlichen Herzoge Robert Guiscard
in Rom erschienen, den Papst in ihre Mitte nahlnen und ihn
nach dem Neapolitanischen in Sicherheit brachten, nachdem er
noch einmal den Bannstrahl auf deu Kaiser, den Gegenpapst
und dessen Anhänger geschleudert hatte. Bald darauf (1085)
starb Gregor Vii. in Salerno; die heftigen Bewegungen seines
Gemüths mochten den Lebensfaden schneller zernagt haben. Als
er seinen Tod sich nahen fühlte, rief er die ihm getreuen Bi-
schöfe herbei und sprach: „Geliebteste Brüder, ich will keine mei-
ner Thaten sehr rühmen; aber darauf vertraue ich, daß ich stets
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Extrahierte Personennamen: Heinrichs Heinrichs Konrad Konrad Heinrich Heinrich Heinrichs Heinrichs Heinrich Heinrich Heinrich Heinrich Gregor Heinrich Heinrich Karls Robert_Guiscard Gregor_Vii Gregor
Extrahierte Ortsnamen: Domkirche Merseburg Gottes Italien Rom Engelsburg England Neapel Rom Salerno
Alfred von England.
95
Endlich bereinigte ein König von Wessex (in Süd-England),
Egbert, alle sieben Reiche (827) und machte also der Heptar-
chie ein Ende. Er war als Prinz, um sich vor den Verfolgun-
gen seiner eigenen Verwandten zu retten, nach Frankreich geflo-
hen und hatte am Hose Karls des Großen seine Ausbildung
erhalten. Mit Kenntnissen und Erfahrungen bereichert, kam er
zurück, und mit ihm begann für England eine ruhigere Zeit.
Doch wurde die Ruhe manchmal durch die Landung der Dälien
oder Rormänner, kühner Seeräuber, die von Dänemark und Nor-
wegen aus das Meer durchschifften, gestört. Sie raubten Men-
schen und Güter, und schifften dann reichbeladen nach Hause.
Noch größern Ruhm als Egbert erlangte sein Enkel, Alfred,
den man auch wohl den Großen genannt, und der voil 871 bis
901 über England regierte. Als Knabe hatte er nichts gelernt,
weil ihn sein schwacher Vater (Ethelwolf) verzärtelte; aber seine
Mutter Judith, eine Tochter Karls des Kahlen, lehrte ihm die
altsächsischen Lieder. Diese machten auf sein Gemüth einen wun-
derbaren Eindruck und entwickelten in ihm die Begeisterung für
alles Edle und Große, die er hernach als König überall zeigte.
Kaum hatte er den Thron bestiegen, so landeten neue Haufen
von Dänen, die damals die Küsten nicht nur Englands, sondern
auch Frankreicks und Deutschlands zu verwüsten pflegten. Nach
mehrern vergeblichen Kämpfen verloren die Angelsachsen den Muth,
ferner zu kämpfen, da immer neue Schaaren wie aus dem Meere
aufstiegen. Vergebens rief Alfred seine Unterthanen zu einem
neuen Kampfe auf. Manche flohen in die Berge, Andere über
die See, und die Uebrigen unterwarfen sich den Siegern. Alfred,
von Allen verlassen, von den Dänen ausgesucht, entließ seine
Hoflente und flüchtete sich in Bauernkleidern. Er trat als Knecht
in die Dienste eines seiner Rinderhirten, eines treuen Men-
schen, der nicht einmal seiner Frau den hohen Stand seines Ga-
stes verrieth.
Als er nun hier bemerkte, daß die Dänen nicht mehr so eif-
rig ihn aufsuchten, begab er sich nach einem Versteck in Somer-
setshire (im südlichen England am Kanal von Bristol). Hier war
eine von kleinen Flüssen, Morästen und Buschwerk umgebene
Gegend, die Insel Athelney. Diese befestigte er; und dazu
war hier-Alles so unwegsam, daß Niemand ahnte, daß sich hier
Menschen aufhielten. Von hier aus griff er mit einem gesam-
melten Haufen Sachsen öfters die Dänen an, die daraus wohl
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Extrahierte Personennamen: Alfred_von_England Egbert Karls Dänemark Egbert Alfred Judith Karls Alfred Alfred
Extrahierte Ortsnamen: Süd-England Frankreich Karls England England Englands Deutschlands England Bristol Sachsen
176 Mittlere Geschichte. 3. Periode. Italien.
nigen, und zog wohlgemuth über die Alpen, nachdem er in
Hohenschwangau sie zum letzten Male gesehen. An seiner Seite
war Friedrich von Baden, sein Herzensfreund, von gleichem
Alter, in gleicher Lage (denn auch ihm war sein Land entrissen
worden) und von gleichem Muthe. Von Jugend auf miteinander
erzogen, hatten sie die innigste Freundschaft geschlossen und jetzt
geschworen, Glück und Unglück miteinander zu theilen. Sie ha-
den ihren Eid auch gehalten und selbst den Tod miteinander
erduldet. Als Konradino nach Italien kam, sammelten sich um
ihn Die, welche mit dem Papste (Clemens Iv.) unzufrieden waren.
Er ging auf Rom los; der Papst floh, indem er drohend ausrief:
„Des Knaben Größe wird verschwinden, wie ein Rauch. Er zieht
hin gen Apulien wie zur Schlachtbank." Inzwischen war die
Freude der Römer grenzenlos. Sie führten den Prinzen auf
das Capitol und schmückten ihn mit Siegeskränzen. Wie ein
herabrollender Schneeball wuchs indeß Konradino's Heer, je nä-
her er der Grenze Neapels kam. Als er hier die Höhe des Ge-
birges erreicht hatte, von wo man in das schöne Land hinunter-
schaut — welcher Anblick zeigte sich da seinen trunkenen Blicken!
„Aller Schein des Nordens ist hier verschwunden; Hügel und
Thäler, Felder, Wiesen und Wälder, an Bächen liegende freund-
liche Häuser, an den Felsenwänden kühn hinanfgebaute Oerter
zeigen sich in unglaublicher Mannigfaltigkeit, und in größerer
Entfernung erscheinen, mit dem Dunkelblau des Himmels sich
verschmelzend, die ruhigen Fluthen des Sees von Celano. Wie
fröhlich jubelnd und aller finstern Ahnungen ledig mag Konra-
dino's Heer in dies neu eröffnete Paradies hinabgeblickt haben!
Was mußte der Jüngling fühlen, der dies herrliche Reich, sein
Erbreich, jetzt zu seinen Füßen sah!"*)
Als Konradino in ein vor ihm liegendes Thal hinabstieg,
sah er Karln und sein Heer sich gegenüber am Flusse Gari-
tz liano beim Dorfe Scurcola. Die Heerpauken und Trom-
peten erschallten. Mit wildem Geschrei stürzten sich Konradino's
kräftige Ritter auf die Franzosen, die, vom ersten Anpralle über-
wältigt, ihr Heil in der Flucht suchten. Jetzt sahen die -Sieger
keinen Feind mehr vor sich. Man überließ sich unbesorgt der gren-
zenlosen Freude, die Beute wurde getheilt, und da es ein heißer
Sommertag war, so lösten sich die Reihen auf; man legte Panzer
) Raumer in seiner Geschichte der Hohenstaufen.
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_von_Baden Friedrich Clemens_Iv. Celano
Extrahierte Ortsnamen: Italien Hohenschwangau Italien Rom Apulien Neapels
211
Schlacht bei Morgarten.
Landenberg fehlte nicht. In langem Zuge zogen die herrlichen
Ritter, alle von Kopf bis zu den Füßen gepanzert, mit wallen-
den Helmbüschen, in die Hohlwege der Alpen ein, auf Schwyz
los. Es schien ein Wald von Lanzen sich zu nähern. Aber die
Schwyzer waren wohlgemutst; ihnen kamen in der Stunde der
Gefahr einige Hundert aus Uri und Unterwalden zu Hülfe, so
daß es 1300 waren. Wie Wenige gegen so Viele! Aber sie stritten
für ihr Vaterland, ihre Weiber und Kinder, hatten eine gerechte
Sache, trauten auf Gott und waren aller Wege und Engpässe
wohl kundig. Sie stellten sich auf einen Berg, an dessen Fuß
ein kleiner See, der Aegsrisee liegt. Zwischen ihm und dem
Berge ging der Weg, den die trefflichen Ritter von Oestreich zo-
gen; die Gegend ward nachher der Morgarten genannt. So-
bald die ganze schwere Reiterei in dem engen Wege war, erhoben
sich die 1300, rollten große Steinblöcke, die sie oben zusammen-
gebracht hatten, hinab und schleudertell mit großer Kraft Steine
unter den dichtgedrängten Haufen. Jeder Stein traf. Die Füße
der Pferde wurden zerschmettert; die Thiere wurden scheu, und
drängten zurück in großer Angst. Aber hinten stand das Fuß-
volk und drängte vor, so daß die Reiter zu ihrem Schrecken sahen,
daß hier nicht zu entfliehen und daß alle Waffen unnütz seien.
Jetzt, wo die Verwirrung allgemein einriß, rannten die Schweizer
mit lautem Geschrei hinab, stießen und schlugen mit Hellebarden,
Morgensternen, Schwertern und Keulen aus die Ritter, die in
dem dichten Gewühle die Arme zu rühren und die Lanzen ein-
zulegen nicht vermochten. Viele setzten mit ihren Pferden in den
See hinein, vom Wasser mehr Erbarmen erwartend als von den
grimmigen Schweizern. Hier fanden viele —- viele edle Ritter
ihren Tod; Landenberg war unter ihnen; warum hatte er auch
seinen Eid gebrochen! Herzog Leopold entkam nur mit genauer
Roth, indem ein der Wege kundiger Mann ihn rettete. Aber
todtenblaß und in tiefer Traurigkeit kehrte er aus diesen furcht-
baren Bergen zurück. Er ist nie wieder in die Püffe der Wald-
städte gekommen. Dies war die Schlacht im Morgarten
(1315). Zwei Tage nach derselben kamen Abgeordnete aus den
drei Urcantonen in Brunnen, das am östlichen Ufer des Vier-
waldstädtersees in Schwyz herrlich gelegen ist, zusammen und
schloffen den ewigen Bund, eine Vereinigung, welche dem all-
gemeinen Schweizerbunde zu Grunde liegt.
Wgs Leopold nicht gelungen war, wollte 70 Jahre später
14*
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Extrahierte Personennamen: Landenberg Oestreich Leopold Leopold Roth Leopold Leopold
Karl Vii. Das Mädchen von Orleans. 261
ihnen sagen, „die Schlüssel aller der Städte, die ihr bezwungen
wider göttliches Recht. Die Jungfrau kommt vom Könige des
Himmels, euch Frieden zu bieten oder blutigen Krieg. Wählt!
denn das sage ich euch, damit ihr's wißt: das schöne Frankreich
ist nicht für euch beschieden!" — Die Engländer lachten. „Nun/'
sagten sie, „Karl muß doch schon sehr in 'Roth sein, daß er zu
Weibern seine Zuflucht nimmt." — Aber im Herzen war ihnen
ganz anders zu Muthe. Abergläubisch waren sie so gut wie die
Franzosen und dachten voll Angst daran, wo das Alles noch
hinauswolle. Der Zug mit den Lebensmitteln brach auf; die
Jungfrau führte ihn an mit der weißen Fahne, und sie sehen
und die Waffen wegwerfen war bei den Engländern Eins. Ohne
Schwierigkeit wurden die Vorräthe in die Stadt geschafft; Jo-
hanna selbst, die nun das Mädchen von Orleans genannt
wurde, hielt ihren Einzug in die befreite Stadt, deren Einwohner
sie als ihre Retterin empfingen. Man richtete ihr eine gute
Wohnung ein bei dem Schatzmeister des Herzogs von Orleans,
entkleidete sie — denn sie war den ganzen Tag zu Pferde und
unter den Waffen gewesen, und daher müde — und setzte ihr
eine treffliche.mahlzeit vor. Aber mäßig wie sie war, rührte sie
nichts davon an; sie nahm nur eine silberne Schale, füllte sie
mit Wasser und Wein und schnitt einige Stückchen Brod hinein.
Mehr aß sie nicht.
Im englischen Lager war Alles wie verwandelt. Die Eng-
länder waren so fest überzeugt von ihrer himmlischen Sendung,
daß sie nicht gegen sie fechten wollten, und gleich die Flucht er-
griffen, sobald sie sich nur mit ihrer Fahne zeigte. Daher ließen
sie nun auch die Franzosen in die Stadt und aus derselben zie-
hen, wie diese nur wollten. Die Franzosen, die sich bisher furcht-
sam hinter den Mauern verkrochen hatten, griffen nun selbst die
Engländer an und nahmen ihnen eine Schanze nach der andern
weg. Bei dem einen Angriffe wurden die Franzosen zurückge-
schlagen; nur Johanna wollte nicht weichen und war schon
ringsum von Feinden umgeben. Da mußte sie endlich zurück,
um ihre Flüchtlinge zu sammeln. Sie ließ ihre weiße Fahne
wieder hoch flattern; unter ihr sammelten sich schnell die Zer-
streuten wieder; sie eilte mit ihnen zurück aus den Kampfplatz
und schlug die Engländer in die Flucht. — Ein ander Mal batte
lie sich wieder zu weit ins Schlachtgetümmel gewagt und erhielt
einen Pfeilschuß in den Hals. Das störte sie aber so wenig, daß
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334
Mittlere Geschichte. 3. Periode. Entdeckungen.
er die Aussicht, Gefahren zu bestehen, Ruhm zu ernten und
große Thaten zu verrichten. Schnell pflanzte er sein Panier vor
seiner Wohnung auf und rüstete sich mit Eifer zur Abfahrt.
Soldaten und Matrosen wurden angeworben, Waffen herbei-
geschafft, und damit Alles recht schnell gehen und es an nichts
fehlen möchte, schoß Cortez sein ganzes Vermögen dazu. Bald
waren die Zurüstungen fertig. Die Mannschaft schiffte sich ein,
Velasquez selbst begleitete Cortez aufs Schiff und wünschte ihm
glückliche Reise. Es bestand die ganze Absendung aus 11 Schiffen,
aus welchen sich, außer den Offizieren, 508 Soldaten, 100 Ma-
trosen und Handwerker und 16 Pferde befanden. Von den er-
steren waren nur 13 mit Flinten bewaffnet, 32 mit Armbrüsten
und die übrigen mit Schwertern und Piken. Außerdem hatte
man 10 kleine Kanonen. Das war die ganze Macht, mit welcher
der kühne Cortez ein Reich erobern wollte, welches weit größer
als Spanien war.
Wie froh war Cortez, als er 1518 die Anker lichtete. Aber
er mußte an einer andern Seite der Insel noch ein Mal an-
legen, um noch einige Vorräthe einzunehmen; so wollte es der
Statthalter. Beinahe wäre hier die ganze Unternehmung ge-
scheitert ; denn kaum war Cortez abgesegelt, so hatte sich des
Velasquez die Besorg:.iß bemächtigt, daß Cortez untreu werden
könnte. Seine Feinde bliesen den Zweifel zum giftigsten Arg-
wohne an, und so beschloß der Statthalter plötzlich, den Cortez
zurückhalten zu lassen, ehe er von jener Stadt absegelte. Hurtig
ertheilte er einem Richter den Befehl, sich des Cortez zu bemäch-
tigen. Aber dieser besaß so viel Beredtsamkeit, daß er denselben
leicht überredete: daß müsse aus einem Mißverständuisse beruhen,
er solle nur erst noch ein Mal ansragen. Indessen ries er alle
seine Leute zusammen. „Wollt ihr," fragte er sie, „wollt ihr
dulden, daß euer unschuldiger General ein Opfer seiner Feinde
werde?" — „Nimmermehr!" riefen Alle; „führe uns ans Ende
der Welt; wir halten treu bei dir aus!" — So wollte Cortez
sie haben. Schnell schiffte er sich wieder ein und segelte, also
gegen den Willen des Velasquez, nach dem unbekannten Lande ab.
Nach manchem Sturme langte er endlich an der Küste von
Mexico an und hatte das Glück, hier einen Spanier zu finden,
der von der Mannschaft eines Schiffes, welches acht Jahre vor-
her in dieser Gegend gescheitert, noch übrig war und nun treff-
lich als Dolmetscher gebraucht werden konnte; denn er war indessen
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330 Mittlere Geschichte. 3. Periode. Entdeckungen.
Flucht ergriffen und nur mit Mühe zurückgebracht und beruhigt
werden konnten.
Alle diese Vorfälle erfuhr Montezuma sehr bald; denn er
hielt sich Läufer, die auf allen Landstraßen in kleiner Entfernung
voneinander standen, von Jugend auf im Laufen geübt waren
und, sobald etwas Wichtiges vorfiel, die Nachricht davon gleich
nach Mexico beförderten. Daher traf, trotz des langen Weges
bis nach Mexico, welches noch 180 Stunden entfernt lag, schon
in sieben Tagen die Antwort bei Cortez ein. Die beiden schon
erwähnten Häilptlinge, der Statthalter und der General, über-
brachten sie mit Herzklopfen. Sie lautete: Montezuma könne
weder erlauben, daß fremde Krieger nach seiner Hauptstadt kä-
men, noch ihren längern Aufenthalt in seinem Reiche gestatten;
er ließe sie daher recht sehr bitten, doch ja recht bald wieder
wegzugehen. Diese unfreundliche Bitte begleitete er mit reichen
Geschenken. Sie bestanden aus äußerst feinen baumwollenen
Zeuchen und Teppichen, aus Abbildungen von Thieren und
Pflanzen, aus Mosaik von Federn, aus goldenen Thierbildern,
kostbaren Arm - und Halsbändern mit Edelsteinen besetzt, und
andern schön gearbeiteten Kunstsachen. Nichts machte aber mehr
der Spanier Habgier rege, als zwei große schwere Scheiben, die
eine von Gold, welche die Sonne, und die andere von Silber,
welche den Mond vorstellte. Beide waren von so hohem Werthe,
daß die letztere allein auf 32,000 Thaler geschützt wurde. Durch
diese Geschenke hoffte Montezuma seine Bitte zu unterstützen;
aber wie irrte er sich darin! Cortez erstaunte über diesen Reich-
thum eines Landes, welches solche Dinge liefere, und war nun
erst recht fest entschlossen, nicht zu wanken und zu weichen. Er
antwortete daher auch ganz unumwunden, er könne und werde
nicht eher zurückgehen, als bis er beim Kaiser zur Audienz ge-
lassen sei.
Die beiden Häuptlinge erstaunten über den Widerstand des
Fremdlings; indessen schickten sie wieder Boten nach Mexico,
meldeten Alles und baten sich Verhaltungsbefehle aus. Diese
erschienen auch bald und lauteten: Montezuma verlange schlech-
terdings, die Fremden sollten sogleich sich auf den Rückweg be-
geben. Zugleich überreichten die Gesandten noch kostbarere Ge-
schenke als das vorige Mal; denn hundert Indianer hatten
Mühe, sie herbeizuschleppen. Cortez wurde immer lüsterner und
antwortete nach kurzem Bedenken: er sei als Freund gekommen,
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Mittlere Geschichte. 3. Periode. Entdeckungen.
sie allein trafen, und plötzlich erhielt Colombo einen unerwarte-
ten Besuch von Guacanagari, der ihm insgeheim meldete, daß
eine Menge Kaziken sich verschworen hätte, die Spanier gänzlich
auszurotten. Er habe auch dazu treten sollen, habe es aber,
aus Anhänglichkeit sür die Spanier, durchaus verweigert. Schnell
suhr Colombo auf. Mit nur 200 Fußsoldaten, 20 Reitern und
20 großen Hunden ging er auf die Feinde los, die in ungeheue-
rer Menge — er schätzte sie auf 100,000 (?) Mann — ihn er-
warteten. So Viele gegen so Wenige! Und doch hörten die In-
dianer kaum den erstell Knall der Flinten, als der ganze
Schwarm mit lautem Geschrei davonlief. Hinter ihnen drein
jagten die Reiter und die Hunde, und viele der Unglücklichen
wurden niedergeritten oder zerfleischt. Ein schreckliches Opfer,
welches Colombo der Sicherheit seiner Handvoll Spanier schul-
dig zu sein glaubte! Die Entronnenen verbreiteten überallhin
Schrecken vor den gewaltigen Fremdlingen. Noch war aber der
gefährlichste der Kaziken, der wilde Caonabo, unbezwungen.
Durch Verrätherei bemächtigte man sich seiner und schleppte ihn
nach Jsabella. Hier gestand er die Zerstörung von Ravidad
und die Ermordung der 39 Spanier ein und wurde zum Tode
verdammt. Diese Strafe wurde ihm dann zwar erlassen, aber
man schickte ihn in Ketten und Banden nach Spanien. Unter-
wegs starb er.
So hatten denn die Spanier fürs erste Ruhe vor den
Eingeborenen, die nun so eingeschüchtert waren, daß sie, wenn sie
einen Spanier erblickten, auf ihn zuliefen und sich erboten, ibn
auf den Schultern zu tragen, auch Alles willig hergaben, was
man von ihnen verlangte. Auch versprachen alle Kaziken, den
König von Spanien als ihren Herrn zu betrachten und ihm einen
jährlichen Tribut an Gold, Baumwolle und andern Producten
zu geben.
Indessen zog sich über Colombo ein Ungewitter herauf. Die
nach Europa zurückgereisten Spanier, alle seine erbitterten Feinde,
hatten ihn dort so verleumdet, daß, wer ihn nicht kannte, ihn
für ein Ungeheuer von Strenge hätte halten müssen. Diese Kla-
gen kamen auch zu den Ohren des Königs, und zugleich wurde
ihm gesagt, Colombo sei gestorben; da befahl Ferdinand einem
seiner Höflinge Juan Aguado, gleich nach Haiti zu reisen und
indessen Colombo's Stelle zu vertreten; wäre dieser aber nicht
todt, so sollte Aguado sich in allen Dingen nach seinen Befehlen
TM Hauptwörter (50): [T10: [Volk König Mann Leben Zeit Land Mensch Krieg Feind Vaterland], T16: [Auge Kopf Körper Hand Haar Fuß Gesicht Blut Haut Brust], T41: [Insel Staat England Amerika Kolonie Mill Küste Nordamerika Land Stadt]]
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Extrahierte Personennamen: Ferdinand Juan_Aguado Aguado
Extrahierte Ortsnamen: Colombo Colombo Jsabella Spanien Spanien Colombo Europa Colombo Haiti